Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Facesitting
1760 Mitglieder
zum Thema
Schwierige Entscheidung - Freunde oder Freundin?101
De, ich habe ein Anliegen, bei dem ich nicht recht weiter weis, es…
zum Thema
Urlaub im Erwachsenenhotel20
Liebe Lesefreunde, da meine Geschichte etwas länger geworden ist…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

"Sitz im Leben" der Lyrik

*******eben Mann
531 Beiträge
Themenersteller 
"Sitz im Leben" der Lyrik
Liebe Lyrikfreunde!

Mich beschäftigt seit einiger Zeit eine Frage: Wie gehen wir mit Lyrik oder mit Gedichten um? Wir lesen sie in einem Buch oder - wie hier - auf dem Monitor - ... und dann?

In anderen Kulturen - und auch in religiösen Gemeinschaften - ist der "Sitz im Leben" der Lyrik die Gemeinschaft. Zu festlichen Anlässen oder zu sozialen Zusammenkünften wird Lyrik rezitiert ... entweder neue oder bekannte kanonisierte Lyrik. In Persien ist dies z.B. der Divan des Hafiz. Wenn man es genau nimmt, hat auch in der christlichen Religion die Lyrik ihren Platz: ein Teil des Gottesdienstes und des klösterlichen Stundengebetes ist nichts anderes als rezitierte oder gesungene Lyrik.

Auch in der hiesigen säkularen Kultur war der Sitz im leben der Lyrik die soziale Zusammenkunft: ob es nun der Parzival des Wolfram v. Eschenbach oder das Nibelungenlied waren: Es sind eine Art Soap Opera in Form gesungener bzw. rezitierter Lyrik gewesen. Noch im 19. Jahrundert und in letzten - dekadenten Resten - bis ins 20.Jahrhundert gab es in der bürgerlichen Kultur die Tradition der Lebenden Bilder mit begleitender Rezitation oder Rezitationsabende.
Deren Niveau stieg natürlich immer mehr ins hohle - oft nationalistische und deklamatorische - Pathos ab. Und heute ist davon vielleicht nur noch das lustlose Aufsagen von Verslein unterm Weihnachtsbaum für den Weihnachtsmann geblieben.

Für mich persönlich erblüht das lyrische Wort erst dann, wenn es gesprochen wird ... auch bei den in dieser Gruppe geposteten Gedichten, die ich übrigens - bis auf eine Ausnahme - alle sehr gerne gelesen und gesprochen habe ...

Meine Frage nun: Wie geht Ihr mit gedichten um? Wo ist für Euch der "Sitz im Leben" der Lyrik? Lest Ihr Gedichtsbücher durch? Laut? Leise? Oder sucht Ihr Euch gedichte aus? Lest Ihr Gedichte mehrmals? Lest Ihr sie metrisch (sofern das geht) oder eher inhaltlich bestimmt?

Bei mir ist der "Sitz im Leben" eine ruhige Stunde, wenn ich ganz allein bin. Dann suche ich mir aus einem Gedichtband oder einer privaten sammlung ausgedruckter Gedichte ein Gedicht aus, dass ich dann meist in verschiedener Art - metrisch, rhythmisch, inhaltlich - rezitiere. So vertiefe ich mich in den Wortkörper des Gedichtes, und so erschließt sich mir auch meist dessen Sinn. (Ja, manchmal kann der Weg zur Seele auch über den Körper gehen.)
*******ates Paar
149 Beiträge
Ich muss zugeben, dass ich Gedichte nur selten wirklich laut verlese, es sei denn, es gibt einen besonderen Anlass dazu. So ist es in meiner Familie Tradition geworden, dass ich jedes Weihnachtsfest und zu wichtigen Geburtstagen ein Gedicht rezitiere - ob selbst geschrieben oder von einem anderen Poeten sei in dem Fall dahingestellt - und somit die Festlichkeiten einläute.

Für mich selbst lese ich die Gedichte eigentlich eher, um diese zu analysieren - Sprache, Aufbau, Metaphorik. Was gefällt mir, was weniger. Welche Bilder wurden gewählt und welcher Sinn könnte dahinterstehen. Besonders letzter Punkt ist immer wieder sehr interessant, da wir allesamt einander fremd sind, man also keine Anhaltspunkte hat, an denen man sich orientieren kann. So kann eine Metapher für mich eine vollkommen andere Bedeutung haben, als für den eigentlichen Autor. Doch gerade dies macht den Reiz für mich aus, Gedichte zu lesen.

In diesem Sinne, liebe Grüße,
Cylan
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Gruppen-Mod 
Schönes Thema, HautErleben!

Ich lese meine Texte regelmäßig vor, da ich Mitglied einer Schreibwerkstatt bin.
Das ist oft recht spannend, weil ein gehörter Text einen ganz anderen Fluß hat, als ein gelesener.
**********atien Mann
520 Beiträge
Ist sehr interessant dein Thema HautErleben,
ich denke nur im vorlesen mit dem dazu geeigneten Menschen, welcher es mit Ausdruck und Stimme darbieten kann, wird man gewisse Bilder darin erkennen können.
Oder selbst wenn man schreibt und es oft genug liest mit der Stimme, erkennt man Tiefen, Emotionen und Leidenschaft darin.

Wahr scheinst hast du Recht mit, dass man in Kirchen auch lyrische Gedanken vorträgt, dies weiß ich nicht da ich kein Kirchengänger bin. Jedoch las ich schon einmal ein bisschen in der Bibel und da dachte ich oft, es klingt wie ein Gedicht aus em Morgenland.

Alleine durch die Interpretation in der Stimme und dem Ausdruck darin, klingen Gedichte und Lyriken manchmal ganz anders als wenn man es nur so leise für sich liest.

Dies wäre meine Meinung dazu........

*g*

LG

Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Gruppen-Mod 
Auf Wunsch von HautErleben wurde dieser Thread auf "öffentlich" gestellt, da sich auch Leute von außerhalb der Gruppe für dieses Thema interessieren könnten.


Rhabia
Mod

*******eben Mann
531 Beiträge
Themenersteller 
...
Vielen Dank an Rhabia, dass der Thread öffentlich gemacht wurde!

Ich finde es eine schöne Tradition, wie es Sky_Pirates schildert, eine Familienfeier mitr einem Gedicht einzuläuten.

MarquisDonatien:
ich denke nur im vorlesen mit dem dazu geeigneten Menschen, welcher es mit Ausdruck und Stimme darbieten kann, wird man gewisse Bilder darin erkennen können.
Oder selbst wenn man schreibt und es oft genug liest mit der Stimme, erkennt man Tiefen, Emotionen und Leidenschaft darin.

Genau. Durch ein Lesen oder eine Rezitation kommt noch etwas zu dem Text hinzu, so dass sich der Text und das Individuum (und vielleicht auch das Publikum?) in dieser Lesung/Rezitation begegnen. So etwas in diese Richtung hat ja auch Sky-Pirates angedeutet:

Besonders letzter Punkt ist immer wieder sehr interessant, da wir allesamt einander fremd sind, man also keine Anhaltspunkte hat, an denen man sich orientieren kann. So kann eine Metapher für mich eine vollkommen andere Bedeutung haben, als für den eigentlichen Autor. Doch gerade dies macht den Reiz für mich aus, Gedichte zu lesen.

MarquisDonatien:
Wahr scheinst hast du Recht mit, dass man in Kirchen auch lyrische Gedanken vorträgt, dies weiß ich nicht da ich kein Kirchengänger bin. Jedoch las ich schon einmal ein bisschen in der Bibel und da dachte ich oft, es klingt wie ein Gedicht aus em Morgenland.

Ich bin auch kein Kirchgänger;-) Aber ich denke, Du hast recht. Es ist so, dass Teile der Bibel im poetischen Ton und teilweise auch poetischen Rhythmus geschrieben sind. (Das gilt auch für andere heilige Bücher, ob Bhagavad Gita, Koran etc.) Speziell die Psalmen und das Hohelied Salomos sind explizit poetische Bücher.
Ich will jetzt nicht auf das religiöse Element eingehen, sondern auf die Beziehung von Text und Gemeinschaft: Diese Texte sind durch ihre jahrtausende-alte Rezitationstradition sozusagen quasi "weitergedichtet" worden, weil Individuen, Gemeinden, Völker etc. ihre Erfahrungen, Erlebnisse mit diesen Texten assoziiert haben.
Und ich denke, das geht auch mit nicht-religiösenr Poesie. In diesem Sinne ist ein Text nie etwas fertiges, sondern etwas, das weiterlebt und sich weiterentwickelt, wenn ihn Menschen in ihrem Herzen bewegen. Die Athmosphäre der Erinnerungen und Assoziationen webt sich in ihn ein und macht aus einem Text einen lebendigen Strom gelebten Lebens.
(Ich weiß, dass ich mich manchmal etwas verschwurbelt ausdrücke, sorry.)
**********atien Mann
520 Beiträge
Finde es ebenso schön dass auch andere User mitreden hier dürfen und können, das Thema ist sehr gut gewählt und ja HautErleben ,
viele Texte wurden erweitert und verändert,
der Sinn kommt fast überall gleich raus ...
Weil es um das Leben geht, um den Respekt und der Achtung untereinander,
um Weltfrieden, um Hungersnot ....
und die Liebe welche in vielen verschiedenen Erzählungen und Variationen immer wieder auftauchen.

Es geht auch um die Weltlichen Wunder welche geschehen und der Mensch es oft nicht begreifen kann und doch geschehen sie um uns herum,
ob sichtbar oder auch unsichtbar unmittelbar in unseren Leben.

Das Leben ist eine komplette Lyrik, wir müssen nur den Sinn und das Gefühl empfangen können und werden aus etlichen Schriften welche vor Jahrtausenden von Jahren schon geschrieben wurden, Antworten auf Fragen finden welcher der Eine und Andere sich fast täglich stellt selbst.

Hast du gut gemacht und Danke dir ....

*g*


Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Gruppen-Mod 
Sehr schade, dass sich nicht mehr Leute an diesem Gespräch hier beteiligen.

Ich finde das Thema und auch die Meinungen dazu sehr spannend.
*****one Frau
13.323 Beiträge
Lyrik ist Klang und Wort. Klänge können für sich stehen, Worte ebenso. Lyrik ist die Zusammenfassung zu einem, dem Klang und dem Wort respektzollenden ergreifendem Gesamtwerk.
Bei rein zu lesender Lyrik ist es aus meiner Sicht wichtig, dramatische Elemente so konkret zu fassen, dass sich auch ohne die Wahrnehmung einer Stimme der Sinn eines Textes erschliesst.
*******eben Mann
531 Beiträge
Themenersteller 
Auch wenn das Thema schon älter ist: Es beschäftigt mich noch immer sehr.

Ich bin dankbar für jede Anregung.
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.