Haben wollen
Kurzfassung für eilige Leser:
"Haben wollen" meint: Ansprüche auf die Erfüllung meiner Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse an den Partner richten.
Aladin:
Was heißt eigentlich "für sich haben wollen"? Schon die Bedeutung dieses Ausdrucks verstehe ich schlichtweg nicht, weil "haben wollen" in Bezug auf einen Menschen doch überhaupt nicht passt.
Erst einmal bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich erst jetzt etwas dazu schreibe - meine Nachlässigkeit verhinderte dies bisher. Gleichzeitig bedanke ich mich
• bei Euch für tiefsinnige Gedanken
• bei mir für die Nachlässigkeit, die mein kommunikatives Fürsorglichkeitsmuster deaktivierte, das hinter einer Frage sehr oft eine Bitte um zeitnahe Aufklärung zur besseren Verständlichkeit vermutet, und es zuließ, dass sich Euer Gespräch so entwickeln konnte, wie es geschah.
Ich sage ein paar Tage nach dem Ende Eures Multilog-Endes gerne, wie ich es gemeint habe.
Robert Betz identifizierte viele Liebesbeziehungen als "GbgB - Gesellschaft zur Befriedigung gegenseitiger Bedürfnisse". Den Liebenden gehe es dabei oft wie zwei Bettlern, die sich begegnen: der Eine greift dem Anderen in die Tasche und meint: "Och, haste auch nix?".
Dumm gelaufen. Weil zwei Dinge verknotet wurden: Liebe und ein Vertrag zwischen zwei Geschäftspartnern.
So mag es vielen Menschen ergehen, die sich begegnen und verlieben. Wir gehen durch die Welt mit unbewussten Wünschen, Ansprüchen und Wert(ung)en. In der Zeit der Verliebtheit werden nicht nur diese Wünsche, sondern tragischerweise auch deren Erfüllung auf ein scheinbar passendes Gegenüber so projiziert und mit seiner Person verknüpft, so dass - über die allgemeinen Wünsche an Menschen, mit denen wir in Kontakt sein möchten hinaus - mit fortschreitender Nähe und Dauer der Beziehung Ansprüche daraus werden, wobei Emotionales und Rationales munter so stramm verknotet werden, dass daraus Verstrickungen entstehen, die nur mit wirklich optimaler Kommunikation und Begleitung im gemeinsamen Wachstumsprozess gelöst werden können, wenn überhaupt.
Bei allem Verständnis und Respekt für die Menschen, die an den Dogmen des seit der Romantik gesellschaftlich gültigen Liebesbegriffes festhalten: das hat (in my typically humble opinion) nichts mit Liebe zu tun, steht in manchem sogar im Gegensatz zum biblischen Liebesbegriff (für den ich mich in seiner verbalen Radikalität auch nicht erwärmen kann).
Ansprüche sind etwas, das ich aus einem Vertrag, zB einem Partnerschaftsvertrag zur Aufzucht gemeinsamen Nachwuchses oder einem Alimentationsvertrag auf Gegenseitigkeit oder Tauschbasis ableiten kann.
Damals war das wichtig, weil Frauen oft weder Beruf noch Rechte hatten, und die Sicherstellung ihres und der Kinder Lebensunterhalt durch den Mann eine Notwendigkeit war.
Damals wie heute maskieren sich diese "emotionalen Gräuel" in juristischen verklausulierten Gewändern, die Liebende, schon gar nicht, wenn sie unerfahren oder ungewarnt sind, wahrhaben wollen.
Bei Abgrenzungen unter Freunden sagen wir manchmal knackig: "Ich bin nicht deine Bedürfnisbefriedigungsanstalt."
Ich könnte stundenlang schreiben, auch zu dem von Euch Gesagten. An dieser Stelle mag ich es aber gut sein und viele Fragen offen lassen, die vlt eine Fortsetzung des Multilogs anregen können, und um Eure Zeit und Geduld nicht über Gebühr zu strapazieren.
Herzlich
Tom